In Deutschland besteht seit Jahren ein Wohnraummangel. Hohe Mieten, geringer Neubau und komplexe Genehmigungsverfahren stellen Herausforderungen für Mieterinnen und Mieter, Bauherren, Kommunen und Investoren dar. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD formuliert dazu umfassende Maßnahmen. Ein Überblick.

Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren

Die Koalition plant eine verbindliche Weiterentwicklung bereits bestehender Beschleunigungsinstrumente sowie zusätzliche Vereinfachungen. Ein einheitliches Verfahrensrecht soll eingeführt werden, das verschiedene Fachgesetze koordiniert und Doppelprüfungen vermeidet.

Vorgesehen ist zudem eine verbindliche Stichtagsregelung: Verfahren sollen in dem Rechtsrahmen abgeschlossen werden, in dem sie begonnen wurden. Ersatzneubauten, wie der Abriss und Neubau bestehender Wohngebäude, sollen künftig im Regelfall durch eine Plangenehmigung statt durch ein Planfeststellungsverfahren genehmigt werden. Der vorzeitige Maßnahmenbeginn bei kritischer Infrastruktur (z. B. Energie- oder Telekommunikationsversorgung) ist ebenfalls vorgesehen, sofern Haftungsfragen geklärt sind.

Die Bundesregierung beabsichtigt, Planungs- und Genehmigungsprozesse vollständig zu digitalisieren, sodass bis 2027 eine elektronische Bearbeitung ohne Medienbrüche ermöglicht wird.

Zweistufige Novelle des Baugesetzbuchs

Das Baugesetzbuch (BauGB) wird laut Koalitionsvertrag in zwei Schritten reformiert. In den ersten 100 Tagen nach Regierungsbildung soll ein Gesetzentwurf einen sogenannten Wohnungsbau-Turbo einführen. Dabei werden unter anderem Lärmschutzaspekte neu geregelt und bestehende Vorschriften zum Umwandlungsschutz in angespannten Wohnungsmärkten verlängert.

In einem zweiten Schritt ist eine weitergehende Reform vorgesehen, um Verfahren im Bereich der Bauleitplanung und bauordnungsrechtlichen Abstimmungen zu vereinfachen. Das Vorkaufsrecht von Kommunen wird in Milieuschutzgebieten sowie beim Erwerb von sogenannten Schrottimmobilien gestärkt. Maßnahmen zur Barrierearmut oder energetischen Sanierung in Milieuschutzgebieten sollen sozialverträglich ermöglicht werden.

Investitions- und Förderoffensive

Parallel zur rechtlichen Vereinfachung sollen starke finanzielle Anreize den Markt beleben. Ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau soll öffentliche Bürgschaften mit privatem Kapital kombinieren. Ziel ist es, in angespannten Wohnungsmärkten Wohnraum mit Mietkosten unter 15 Euro pro Quadratmeter zu schaffen.

Familien, die Wohneigentum erwerben, sollen durch steuerliche Maßnahmen sowie staatlich abgesicherte Bürgschaften unterstützt werden. Die Förderprogramme der KfW werden in zwei Hauptlinien gegliedert: eine für Neubau, eine für energetische Modernisierung. Für den sozialen Wohnungsbau sowie für das Programm „Junges Wohnen“ werden die Bundesmittel schrittweise erhöht. Damit sollen insbesondere Auszubildende und Studierende erreicht werden.

Klimaneutrales Bauen und Sanieren

Das bisherige Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird überarbeitet und technologieoffen ausgestaltet. Die CO₂-Vermeidung wird als zentrale Steuerungsgröße verankert. Der sogenannte Quartiersansatz wird gestärkt, z. B. durch Förderung von Blockheizkraftwerken und lokalen Wärmenetzen.

Kosten für energetische Sanierung von geerbtem Wohnraum sollen künftig steuerlich absetzbar sein. Die Förderung des EH55-Standards wird befristet wieder eingeführt. Zudem werden Aktionspläne für den Einsatz biobasierter sowie energieintensiver Baustoffe angekündigt.

Mieterschutz und Preistransparenz

Um Mieterhaushalte zu entlasten, verlängert die Koalition die Mietpreisbremse in angespannten Märkten um weitere vier Jahre. Ferner soll eine Expertengruppe bis Ende 2026 Vorschläge für eine Harmonisierung mietrechtlicher Regelungen erarbeiten.

Indexmieten sowie möblierte und kurzfristige Vermietungen werden einer erweiterten Regulierung unterzogen. Die Modernisierungsumlage wird überarbeitet, um Investitionsanreize zu erhalten und gleichzeitig die Mietbelastung zu begrenzen. Für sogenannte Kleinmodernisierungen wird eine neue Wertgrenze eingeführt.

Zusätzlich sollen steuerliche Anreize für Vermieter geschaffen werden, die unterhalb des Marktniveaus vermieten.

Städtebauförderung und Digitalisierung im Bauwesen

Zuletzt soll die Städtebauförderung modernisiert und das Fördervolumen schrittweise erhöht werden. Für kleinere Kommunen unter 100.000 Einwohnern wird die Erstellung integrierter Stadtentwicklungskonzepte erleichtert.

Das Planungs- und Bauwesen soll stärker digitalisiert werden. „Building Information Modeling“ (BIM) wird als Standardinstrument eingeführt. Ein neues Bundesforschungszentrum für klimaneutrales Bauen ist in Mitteldeutschland vorgesehen.

Ausblick

Mit diesem Gesamtkonzept aus schnellen Verwaltungsverfahren, klaren Investitionsanreizen und sozial-ökologischer Steuerung will die Koalition in dieser Legislaturperiode spürbare Erfolge erzielen: Mehr bezahlbarer Wohnraum, niedrigere Baukosten und gleichzeitig ein Beitrag zum Klimaschutz. Es bleibt abzuwarten, ob Bund, Länder und Kommunen die Reformen zügig umsetzen und gemeinsam die Wohnungswende einleiten.

Bildquelle: © hallojulie – AdobeStock

Ansprechpartner

Bei Fragen senden sie uns eine Mail an info@igbay.de.

Newsletter

Zum monatlichen Newsletter anmelden.

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

Steigende Mietpreise und neue Trends in deutschen Großstädten

| Immobilienmarkt | No Comments
In vielen deutschen Großstädten ziehen die Mieten weiterhin an, wie eine aktuelle Analyse von Immoscout24 zeigt. Besonders in mittelgroßen Städten lassen sich neue Trends beobachten, die den derzeitigen Wohnungsmarkt prägen.…