Die Konjunktur kühlt sich ab, doch die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks bleibt sehr unterschiedlich temperiert. In Washington hält die Federal Reserve ihren Leitzins in der Spanne von 4,25 % bis 4,50 % und signalisiert erst ab dem Sommer vorsichtige Lockerungen. Frankfurt dagegen hat längst die Kehrtwende vollzogen: Seit April liegt der Einlagensatz der EZB nur noch bei 2,25 % – die siebte Senkung innerhalb eines Jahres. Diese Divergenz bestimmt derzeit das Bild an den Finanzmärkten und erklärt, warum der 3-Monats-Euribor von seinem Herbsthoch bei fast 4 % auf inzwischen gut 2,18 % gefallen ist.

USA: Hochplateau mit Aussicht auf Abstieg

Die Fed beschloss am 19. März, vorerst nichts zu ändern. Die Mehrheit der FOMC-Mitglieder erwartet bis Ende 2025 zwei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte, was den Leitzins auf etwa 3,75 % bis 4,00 % bringen würde. Die Futures auf Fed Funds preisen derzeit Zinssenkungen um insgesamt etwa 75 Basispunkte bis Jahresende ein. Dennoch verharren die Renditen zehnjähriger Treasuries knapp unter 4,4 % – die Investoren trauen der Inflationsentwicklung noch nicht vollständig.

Eurozone: Von der Straffung in die Entspannung

Ganz anders die Lage in der Eurozone. Am 17. April senkte die EZB die Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte, da der Preisdruck nachlässt und das Wachstum fragil bleibt. Damit haben sich die kurzfristigen Geldmarktsätze innerhalb von neun Monaten nahezu halbiert. Der 3-Monats-Euribor – wichtigster Referenzwert für variable Hypotheken und Unternehmenskredite – liegt so niedrig wie seit Ende 2022 nicht mehr. Analystenumfragen erwarten bis September 2025 einen EZB-Einlagensatz von maximal 2,00 %, manche sehen ihn bereits bei 1,75 %. Die Richtung ist klar: Euribor-Zinsen um oder sogar unter 2 % sind keine Utopie mehr.

Die Kluft, die Kapital lenkt

Der Abstand zwischen der Fed Funds Rate und der Einlagefazilität der EZB beträgt inzwischen mehr als 200 Basispunkte – ein Niveau, das Kapitalströme umleitet. Für global agierende Investoren erscheinen US-Anleihen durch ihre höheren Nominalrenditen attraktiver. Alleerdings steigt das Wechselkursrisiko: Eine Aufwertung des Euro schmälert die in Dollar erzielten Erträge in lokaler Währung. Umgekehrt profitieren europäische Staatsanleihen: Deutsche Bundesanleihen rentieren nur noch bei rund 2,6 %, der Risikoaufschlag italienischer Papiere ist auf unter 100 Basispunkte gesunken – ein Niveau, das zuletzt 2021 erreicht wurde.

Was bedeutet das für Kreditnehmer?

Wer in Euro finanziert, spürt die Entlastung sofort: Variable Hypothekenzinsen sinken, Unternehmenskredite werden günstiger. Festzinskredite sind aktuell noch vergleichsweise günstig, allerdings zeigen die Zinsen für längere Laufzeiten bereits einen leichten Aufwärtstrend. Wer langfristig planen will, sollte sich bald um passende Konditionen kümmern, denn das aktuelle Niveau könnte vorerst das Tief markieren. In den USA bleibt die Belastung dagegen vorerst hoch; erst mit dem ersten Zinsschritt der Fed dürften auch Dollar-Kreditzinsen spürbar sinken.

Kernzahlen im Überblick

Stichtag: 23. April 2025

KennzahlUSAEurozone
Zentralbankzins4,25  % – 4,50  %2,25  %
Geldmarktsatz 3 MSOFR-Äquivalent ≈ 5,0  %*Euribor 3 M 2,18  %
10-Jahres-Staatsanleihe4,39  %2,56  %

* Umgerechnet, da der klassische 3-Monats-Libor nur noch sporadisch fixiert wird.

Ausblick

Sollte die US-Inflation wieder anziehen, könnte die Fed ihre Zinssenkungen verschieben. Die Zinsdifferenz bliebe dann länger bestehen. Umgekehrt würde ein globaler Abschwung beide Zentralbanken zu schnelleren Zinssenkungen zwingen. Aktuell spricht vieles dafür, dass Europa voranschreitet und der Euribor in den nächsten Quartalen unter 2 % fällt, während die USA erst in der zweiten Jahreshälfte folgen. Für Euro-Kreditnehmer ist das eine willkommene Atempause und vielleicht die beste Gelegenheit seit Jahren, günstige Konditionen langfristig zu fixieren.

Bildquelle: © Annuitti – AdobeStock

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